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fokus darm

mikrobiom und verdauung

Darmflora – intestinales Mikrobiom – Mikrobiota: Im Zusammenhang mit dem Darm bezeichnen all diese Begriffe das Gleiche: Die Summe der Bakterien und Kleinstlebewesen im Verdauungstrakt. Über deren Einfluss auf die Gesundheit bzw. Erkrankungen wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv geforscht – und dennoch treten immer wieder neue und überraschende Erkenntnisse zutage. Immer deutlicher stellt sich heraus: Es besteht eine signifikante und komplexe Wechselwirkung zwischen dem Mikrobiom und dem Gesundheitszustand des Organismus. Neben eindeutig im Darm lokalisierbaren Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa oder dem Reizdarmsyndrom wird heute davon ausgegangen, dass zahlreiche weitere Beschwerden und Erkrankungen im Darm ihre Ursache haben bzw. von ihm beeinflusst werden. Zudem ist das menschliche Immunsystem zu einem großen Teil im Darm situiert und seine Leistungsfähigkeit wird ebenfalls durch das Mikrobiom beeinflusst. Aus diesen Gründen ist es für den Physiotherapeuten wichtig, auch den Zustand des Darms bzw. die Verdauung der Patienten zu berücksichtigen.

In diesem Beitrag soll es vorrangig um den Zusammenhang zwischen Darmflora, Verdauung und dem allgemeinen Gesundheitszustand gehen. Wir erklären Zusammenhänge und zeigen auf, mit welchen Maßnahmen sich das Mikrobiom und damit die Verdauung nachhaltig verbessern lässt. Der Vorteil dieses Ansatzes: Die Verdauung ist ein guter, verlässlicher und leicht zu bestimmender Indikator für den Zustand des Darms insgesamt. Damit lassen sich wiederum Rückschlüsse auf den allgemeinen Gesundheitszustand eines Patienten / einer Patientin ziehen und ggf. notwendige Maßnahmen einleiten. Durch Pflege und Aufbau des Mikrobioms über die Ernährung und Probiotika lässt sich so begleitend zur physikalischen Therapie eine ausgezeichnete Basis legen, um Erkrankungen und Beschwerden zu vermeiden und Heilungsprozesse zu beschleunigen.

Welche Rolle spielt das Mikrobiom bei der Verdauung?

Wie wir bereits in einem früheren Beitrag erläutert haben, sind an der Verdauung unterschiedliche Prozesse beteiligt. Neben der mechanischen Zerkleinerung der Nahrung im Körper sind in Mund, Magen und Dünndarm sind zunächst vorrangig Enzyme an der Zerlegung der Speisen beteiligt. Nachdem die Nährstoffe im Dünndarm aufgenommen wurden, erhöht sich im Dickdarm die Anzahl der Bakterien deutlich – ein neuer und vollkommen anderer Verdauungsabschnitt beginnt. Die Aufnahme von Nährstoffen ist abgeschlossen – dem Speisebrei werden nur noch Wasser und Salz entzogen. Stattdessen finden im Dickdarm wichtige Produktions- und Immunprozesse statt. Über 90% der ca. 100 Billionen Darmbakterien gehören den Stämmen Bacteroides, Proteobacteria, Actinobacteria und Firmicutes an. Ihre Zusammensetzung und Interaktion tragen maßgeblich dazu bei, dass die weitere Verdauung problemlos abläuft.

Eine zentrale Aufgabe der Bakterien im Dickdarm besteht in der Bekämpfung von krankheitserregenden Stoffen, die über die Nahrung in den Körper gelangt sind. Hierzu zählen beispielsweise Salmonellen, Shigellen und Campylobacter. Je aktiver die Bakterien zur Bekämpfung dieser Erreger sind, desto besser können wir mit solchen unerwünschten und potenziell krankheitserregenden Stoffen umgehen. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, warum bei Reisen in tropische Regionen so häufig Magen-Darm-Probleme auftreten: Unser Darm ist nicht auf die Konfrontation mit den neuen pathogenen Erregern vorbereitet und reagiert entsprechend heftig darauf. Allerdings zeigt sich hier auch, wie flexibel und anpassungsfähig das Mikrobiom ist. Bei Menschen, die längere Zeit in den Tropen leben, treten diese Beschwerden nicht mehr auf. Der Organismus hat sich auf die neuen Gegner eingestellt und ist in der Lage, sie erfolgreich zu bekämpfen. Auch die Nebenwirkungen von Antibiotika können sich im Dickdarm bemerkbar machen: Indem die Medikamente auch gesunde Bakterien der Darmflora abtöten, können sie zu Durchfällen und anderen Beschwerden führen.

Auf dem Weg durch den Verdauungstrakt können nicht alle über die Nahrung aufgenommenen Stoffe zu Nährstoffen umgewandelt werden. Eine weitere Aufgabe der Dichdarmbakterien besteht in der Zersetzung von solchen unverdauten Nahrungsbestandteilen (Ballaststoffen). Aus diesen stellen die Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren her, die einerseits der Energiegewinnung dienen und zudem präventiv gegen chronisch entzündliche Darmerkrankungen wirken. Eine wichtige Aufgabe der Darmbakterien besteht zudem darin, Hormone und Vitamine (Thiamin, Biotin, Vitamin K) zu produzieren und die Blutbildung anzuregen. Schließlich hat die Regulation des Immunsystems durch das Mikrobiom Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Organismus insgesamt, was sich wiederum positiv auf den Verdauungsprozess auswirkt. (1)

Warum ist das Mikrobiom bei so vielen Menschen in schlechtem Zustand?

Nahezu alles, was wir zu uns nehmen, muss durch den Darm und beeinflusst dort die Zusammensetzung des Mikrobioms. Eine gute Verdauung trägt nicht nur zum allgemeinen Wohlbefinden bei, sie ist auch ein Indikator, dass das Mikrobiom in einem guten Zustand ist. Die Darmflora der Menschen in Industrienationen neigt allerdings dazu, zu verarmen – das bedeutet, die für ein gesundes Mikrobiom so wichtige Bakterienvielfalt nimmt immer weiter ab. Das liegt daran, dass wir – trotz eines breiten und reichhaltigen Speiseangebots – dazu neigen, uns aus einem relativ überschaubaren Pool an bevorzugten Lebensmitteln zu bedienen. Hinzu kommt, dass die zahlreichen hochverarbeiteten Lebensmittel, die uns im Supermarkt, aber auch in Restaurants und Kantinen angeboten werden, den guten Darmbakterien wenig Nahrung, stattdessen aber jede Menge Schadstoffe liefern. Neben Nährstoffen landen entsprechend regelmäßig Medikamente, Pestizide, Genussgifte, Konservierungs- und Aromastoffe, erhebliche Mengen Zucker und andere für den Darm schädliche Substanzen in unserem Verdauungstrakt. Das problematische Verhältnis zu unserem Mikrobiom beginnt allerdings noch deutlich früher im Leben: Bereits bei der Geburt erhält das Kind die erste, wichtige Prägung durch das Mikrobiom seiner Mutter. Ist dieses bereits geschädigt, kann sich dies das Kind übertragen. Auch die Art der Geburt spielt eine Rolle: Per Kaiserschnitt entbundene Kinder bekommen in der Regel weniger Bakterien vermittelt als über den Geburtskanal zur Welt gekommene. Auch ob und wie lange gestillt wird, ist relevant, ebenso wie die frühe Ernährung des Kindes, sein Kontakt mit Bakterien in der Umwelt und Medikamente, die in frühen Lebensphasen verabreicht werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es wenig verwunderlich, dass die bakterielle Besiedlung des Darms bei vielen Menschen in Industriestaaten in schlechtem oder zumindest kritischem Zustand ist. Eindrücklich zeigt sich dies, wenn man das Mikrobiom deutlich naturnäher lebenden Gesellschaften untersucht. So wurde bei dem erst 2008 in Südamerika entdeckten Stamm der Yanomami ein Mikrobiom gefunden, das erheblich von dem uns bekannten abweicht. Es handelte sich um das vielfältigste Mikrobiom, das jemals bestimmt worden ist. (2) (3)

Wie lässt sich das Mikrobiom positiv beeinflussen?

Jeder Mensch verfügt über eine individuelle und sich ständig verändernde Darmflora. Das bedeutet: Auch wenn in der frühen Kindheit oder im Verlauf des Lebens negative Einflüsse die Vielfalt, Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Mikrobioms beeinträchtigen, besteht die Möglichkeit, über Ernährung und Lebensstil positiv darauf einzuwirken. Sport, Bewegung und möglichst wenig Stress sind für den Darm und das Immunsystem grundsätzlich gut. Der wichtigste Faktor ist aber die Ernährung. Kurz und knapp lässt sich sagen: Vielfalt und Natürlichkeit sind Trumpf! Konkret bedeutet das: Möglichst viele unverarbeitete Lebensmittel, möglichst wenig Zusatz- und Schadstoffe sowie Medikamente, insbesondere Antibiotika, und ein großes und abwechslungsreiches Spektrum an natürlichen Lebensmitteln. 

Wer über die Ernährung etwas zur Förderung und Stärkung seiner Darmflora tun will, hat dazu zahlreiche Möglichkeiten. Wer es deftig mag, kann mit Sauerkraut, bestimmten Käsesorten, sauren Gurken oder anderen fermentierten Gemüsen (z. B. Kimchi) dem Darm wertvolle Probiotika zuführen. Milder geht es mit Joghurts, Kombucha-Tee, Kefir oder anderen probiotischen Getränken, die man auch gut selbst herstellen kann. Eine präbiotische Ernährung ist sogar noch einfacher: Zahlreiche Getreide-, Gemüse- und Obstsorten wie Hafer, Weizen, Lauch, Spargel, Zwiebeln, Äpfel und Bananen enthalten präbiotische Bestandteile, die den Darmbakterien zugute kommen.

Zusätzlich zur Aufnahme von Pro- und Präbiotika über die Nahrung kann es sinnvoll sein, Probiotika in Form von Kapseln oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln einzunehmen. Diese haben den Vorteil, dass sie zielgerichtet und in komprimierter Form dem Darm wertvolle Bakterienstämme zur Verfügung stellen. Wichtig bei Probiotika: Hier sollte man nicht zum erstbesten Produkt aus der Drogerie oder dem Internet greifen. Die Qualität und eine transparente und sinnvolle Zusammensetzung der probiotischen Inhaltsstoffe sind hier ausgesprochen wichtig. (4) (5) Ein passendes Produkt findest du hier.

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Fazit: Das Mikrobiom als Gesundheitsfaktor

Die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden ist eine herausfordernde und komplexe Aufgabe. Die Physiotherapie hat als Schnittstelle zwischen Medizin, Ernährungswissenschaft und Sport die Chance, ganzheitlich auf den Patienten einzugehen. Das Thema Darm – Verdauung – Mikrobiom ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Hier ergeben sich für die Patienten sehr gute Möglichkeiten, mit der Unterstützung und dem Wissen ihrer Therapeuten positive Impulse für die eigene Gesundheit zu setzen. Dies kann zudem unabhängig von der Mobilität oder anderen Einschränkungen geschehen. Eine Aufklärung der Patienten über die Möglichkeiten, das Mikrobiom positiv zu beeinflussen, sollte daher ein fester Bestandteil der Therapie und Beratung sein.