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Proteinversorgung

Biologische Wertigkeit von Aminosäuren – Ist das Konzept noch zeitgemäß?

Aminosäurenprofile – biologische Wertigkeiten – limitierende und essentielle Aminosäuren. Wer sich etwas genauer mit dem Thema Eiweiß (Protein) und Ernährung befasst, wird schnell mit einer Vielzahl von Fachbegriffen konfrontiert. Die wichtigsten Fragen sind schnell gestellt, aber individuell gar nicht so einfach zu beantworten: Wie hoch ist mein persönlicher Eiweißbedarf und gelingt es mir, ihn täglich zu decken? Sind tierische Proteine wirklich besser und “wertvoller” für den Organismus? Oder ist gerade der Verzicht auf tierische Proteine der Schlüssel für eine gesunde Ernährung? Wer etwas weiter in die Details geht, stößt auf zunächst schwer nachvollziehbare Wertigkeitsangaben und eine Vielzahl an Supplementen mit unterschiedlichen – und für den Laien kryptisch wirkenden – Aminosäureprofilen. Mitunter kommen oft überraschende Ratschläge zur Kombination von bestimmten Lebensmitteln hinzu.

Das Problem: Nicht selten widersprechen sich die Empfehlungen von echten oder selbst ernannten Ernährungsexperten zur Proteinzufuhr erheblich. Leider finden sich darunter oft auch Halbwahrheiten und Irrtümer, die ungeprüft weitergegeben werden. Wir werden in diesem Beitrag die wichtigsten Fakten und Begriffe rund um deinen Aminosäurebedarf und die damit verbundenen Begriffe klären. Das Ziel: Wir wollen es dir ermöglichen, deine Ernährung gesund und möglichst nahrhaft zu gestalten – unabhängig davon, ob du vegan lebst oder nicht. Statt pauschalen Ernährungsratschlägen liefern wir dir Wissen und die relevanten Fakten, damit du selbständig und nachhaltig deine Ernährung und Proteinversorgung sichern und auf deine Bedürfnisse abstimmen kannst.

Welche und wie viele Aminosäuren brauche ich wirklich?

Proteine (Eiweiße) ​​sind essentielle Makronährstoffe, die im Verdauungsprozess in Aminosäuren zerlegt werden. Es gibt 21 proteinogene (eiweißbildende) Aminosäuren. Sie spielen im menschlichen Körper eine zentrale Rolle beim Aufbau von Muskelgewebe, sind aber auch an zahlreichen weiteren lebenswichtigen Abläufen (z. B. als Botenstoffe und Hormone) beteiligt. Wenn im Zusammenhang mit der Proteinversorgung des Menschen von Aminosäuren gesprochen wird, dann geht es oft um die essentiellen Aminosäuren, eine Untergruppe der 21 proteinogenen Aminosäuren. Sie können vom Organismus nicht selbst gebildet werden und müssen über die Ernährung aufgenommen werden. Nicht selten wird aber auch vom Proteinbedarf allgemein gesprochen – und bereits hier fangen die Missverständnisse und Verwirrungen an. Wir kommen darauf noch zu sprechen!

Fest steht: Ohne die Zufuhr von Aminosäuren ist der Mensch dauerhaft nicht lebensfähig. Zudem steigt der Bedarf bei Krankheiten oder nach starken Belastungen an. Kein Wunder, dass das Thema bei Therapeuten, Ärzten und Ernährungsberatern immer wieder zur Sprache kommt. Auch ambitionierte Sportler wissen in der Regel, wie wichtig eine gute Proteinversorgung ist – in der Praxis wird die Qualität und Menge der Proteine dann aber doch eher Pi mal Daumen ermittelt. Das muss nicht verkehrt sein! Wer sich einmal fundiert mit dem Thema beschäftigt hat und mehr oder weniger im Kopf hat, wie viel Proteine er pro Tag zu sich nehmen sollte, wieviel Eiweiß in seinen Lebensmitteln bzw. Supplementen steckt und wie sich durch gezielte Kombination dessen Qualität erhöhen lässt, muss nicht ständig grübeln, ob seine Versorgung gesichert ist. Doch bei vielen Therapeuten, Patienten und selbst im Leistungssport ist die Unsicherheit nach wie vor groß. Wir zeigen dir, woran das liegt und wie du die Sache angehen kannst. (1)

Vorsicht vor pauschalen Angaben: Dein Proteinbedarf ist individuell!

Wer nach dem täglichen Bedarf eines Menschen an Protein sucht, wird schnell fündig, erhält aber in der Regel unterschiedliche Empfehlungen. Einigkeit herrscht weitgehend darüber, dass mindestens 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht aufgenommen werden sollten. Der Bedarf erhöht sich – auch darüber herrscht weitgehender Konsens – wenn intensiv Sport getrieben oder hart gearbeitet wird, aber auch in der Schwangerschaft, bei stillenden Müttern, bei Erkrankungen oder dauerhaftem Stress. An der Diskussion, ob in diesen Fällen 1,2 oder 1,4 oder mehr Gramm Protein pro kg Körpergewicht angemessen sind, beteiligen wir uns nicht. Denn zunächst muss berücksichtigt werden: Der Bedarf an Eiweiß ist ohnehin von vielen individuellen Faktoren (allgemeiner Ernährungs- und Lebensstil, Alter, Gesundheitszustand, körperlicher und psychischer Belastung etc.) abhängig. Außerdem – und hier wird es besonders interessant – wird mit der Proteinmenge noch keine Aussage über die Qualität und biologische Wertigkeit des aufgenommenen Proteins gemacht. Dieser Aspekt wird bei den Angaben zur optimalen Proteinaufnahme oft ignoriert oder vernachlässigt. Er hat aber – neben deinem Lebensstil – ebenfalls Einfluss darauf, wie hoch dein Proteinbedarf ausfällt! Wenn du also bislang bereits fleissig und mit gutem Gewissen deine täglich aufgenommene Proteinmenge ausgerechnet und für ausreichend befunden hast, müssen wir dir sagen: So einfach ist es leider nicht! Auf diesen wichtigen Aspekt gehen wir jetzt noch ein.

 

 

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Die Sache mit dem Hühnerei – Die biologische Wertigkeit von Proteinen

Was du im Zusammenhang mit deiner Ernährung wissen musst: Protein ist nicht gleich Protein! Je nach Art der Eiweißquelle und der Kombination verschiedener Lebensmittel verändern sich die Anteile und Zusammensetzung der Aminosäuren und damit ihre Bioverfügbarkeit bzw. biologische Wertigkeit. Die biologische Wertigkeit wird im Labor berechnet. Als Indikator dient der in jeder Aminosäure enthaltene Stickstoff. Vereinfacht gesagt, wird dabei ermittelt, wie viel vom mit dem Protein aufgenommenen Stickstoff wieder ausgeschieden wird. Je mehr Stickstoff und damit Aminosäuren der Körper “behält” und damit für Aufbauprozesse verwendet wird, desto hochwertiger wird das jeweilige Lebensmittel eingestuft. In diesem Zusammenhang wird in der Regel darauf hingewiesen, dass Hühnerei die biologische Wertigkeit von 100 besitzt. Diese Angabe führt oft zu Verwirrungen. Zunächst: gemeint ist hier nicht, dass ein verspeistes Hühnerei vollständig in körpereigenes Protein umgewandelt wird. Die Zahl bedeutet auch nicht, dass es kein höherwertiges Protein gibt. Es handelt sich bei der Zahl 100 lediglich um einen Richtwert, der als Referenz für die anderen Proteine herangezogen wird. Was aber ist mit dem Begriff der biologischen Wertigkeit genau gemeint? Kurz und knapp lässt sich sagen: Je ähnlicher die Zusammensetzung der essentiellen Aminosäuren in der aufgenommenen Nahrung den körpereigenen Proteinen ist, desto besser kann der Organismus sie verwerten und desto höher wird die biologische Wertigkeit ausfallen. Je höher die biologische Wertigkeit, desto geringer ist die benötigte Proteinmenge. Dies hat mitunter erheblichen Einfluss auf den Nutzen einzelner Nahrungsmittel für den Organismus! Fehlt einem Nahrungsmittel eine oder mehrere essentielle Aminosäuren komplett, dann kann die biologische Wertigkeit sogar auf nahezu 0 sinken! Dies ist z. B. bei Gelatine – einem extremen Beispiel – der Fall. Hier fehlt die essentielle Aminosäure Tryptophan nahezu vollständig. Das Tryptophan ist in diesem Fall die sogenannte „limitierende Aminosäure“, die dafür sorgt, dass alle anderen Aminosäuren in der Gelatine nicht verwertet werden können. Eine Portion Kartoffeln mit Ei (biologische Wertigkeit: 124) kann deshalb für den Organismus mehr verwertbare Proteine liefern als die gleiche Menge Protein einer “minderwertigen” Proteinquelle wie z. B. Linsen. Das bedeutet aber nicht, dass Linsen per se ein schlechtes Nahrungsmittel sind. Die Hülsenfrüchte sind gesund und lassen sich durch geschickte Kombination mit anderen pflanzlichen Proteinquellen (z. B. Reis) in eine biologisch deutlich höherwertige Mahlzeit verwandeln. Dies lässt sich auch bei der Herstellung von veganen Proteinpulvern ausnutzen, indem dort Erbsen- und Reisproteine gezielt kombiniert werden. Du siehst: Das Konzept der biologischen Wertigkeit macht die Proteinbewertung komplizierter. Sie wird aber auch interessanter, weil du durch die gezielte Kombination verschiedener Lebensmittel ihre Wertigkeit erhöhen kannst. (3)

 

Alternative Methoden zur Messung der Proteinqualität

Das Konzept der biologischen Wertigkeit wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet. Es ist nach wie vor ein weit verbreitetes Maß für die Qualität von Proteinen. Es wird noch immer häufig herangezogen, um proteinhaltige Supplemente oder Nahrungsmittel zu klassifizieren. Das Konzept weist jedoch einige Einschränkungen auf und wurde kritisiert, weil es Faktoren wie Verdaulichkeit und Aminosäurezusammensetzung nicht berücksichtigt. Es wird gelegentlich durch andere Methoden der Proteinbestimmung ersetzt. Zur Messung der Proteinqualität wurden mehrere alternative Methoden vorgeschlagen. Diese Methoden berücksichtigen Faktoren wie Verdaulichkeit und Aminosäurezusammensetzung. Das Proteinverdaulichkeitskorrigierte Aminosäure-Score (PDCAAS) ist eine Methode, die sowohl die Aminosäurezusammensetzung als auch die Verdaulichkeit berücksichtigt. Es wurde 1991 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt
Der PDCAAS misst die Menge an essentiellen Aminosäuren in einer Proteinquelle im Verhältnis zu der Menge, die der Mensch benötigt. Dabei wird auch die Verdaulichkeit von Proteinen berücksichtigt. Die PDCAAS-Skala reicht von 0 bis 1, wobei 1 der höchste Wert ist. Das Score für verdauliche unverzichtbare Aminosäuren (DIAAs) ist eine neuere Methode, die 2013 von der FAO entwickelt wurde. Es misst die Menge an verdaulichen unverzichtbaren Aminosäuren (DIAAs) in einer Proteinquelle im Verhältnis zu der Menge, die der Mensch benötigt. DIAAs sind essentielle Aminosäuren, die vom Körper nicht synthetisiert werden und über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Das DIAAS berücksichtigt sowohl die Aminosäurezusammensetzung als auch die Verdaulichkeit. Die DIAAS-Skala reicht von 0 bis 1, wobei auch hier 1 der höchste Wert ist. Übrigens: Keine dieser Methoden ist perfekt, sie können dir aber ebenfalls bei der Bewertung deiner Proteinquellen helfen. (4)

Fazit: Die Relevanz der Proteinqualität für Sport und Ernährung

Aminosäuren spielen in der Ernährung jedes Menschen eine wichtige Rolle. Sie sind nicht nur am Muskelwachstum und der Muskelreparatur beteiligt, sondern auch für zahlreiche immunologische Prozesse notwendig. Wer intensiv Sport treibt, krank ist oder anderweitig stark beansprucht, braucht mehr Proteine als normal. Neben der Menge des aufgenommenen Proteins ist die Zusammensetzung der Aminosäuren ein wichtiger Faktor. Aus unserer Sicht ist das Konzept der biologischen Wertigkeit und seine Nachfolgekonzepte eine sinnvolle Ergänzung, die du bei deiner Versorgung mit Proteinen berücksichtigen solltest. Es ist insbesondere für dich von Interesse, wenn du bestimmte Nahrungsmittel meidest oder nur in geringer Menge zu dir nimmst. So können beispielsweise Veganer durch die gezielte Kombination unterschiedlicher proteinhaltiger Lebensmittel deutlich höhere Wertigkeiten erzielen. Das Konzept der biologischen Wertigkeit ergibt dann Sinn, wenn du es mit allgemeinen Ratschlägen für eine gesunde Ernährung kombinierst. So entgehst du der Gefahr, dich alleine an Wertigkeits-Angaben zu orientieren und kannst Proteingehalte von Lebensmitteln besser einordnen.